Noch nie gab ich ein Jahr verloren, nichteinmal die rauhesten von ihnen. Diesmal bin hart davor, und das schon im Juli. Diese verdammte Coronalage geht mir langsam an die Basis, fühle mich wie ein Tier im Käfig. Mich an die sogenannte ’neue Normalität‘ zu adaptieren fällt mir schwer. Ich bin nicht alt, aber auch nicht mehr jung, und es gibt Tage, da scheint der Gedanke bis ans Ende meines Lebens Abstände einzuhalten und Maske zu tragen auf, und drückt mich einfach an den Boden.
Zwanzig Impfstoffstudien in der ersten Kohorte, Optimismus will trotzdem nicht aufkommen. Zu viele Informationen über dieses Biest stimmen nicht froh. Daß man inzwischen sehr tief graben muß, um an diese überhaupt zu kommen, gibt obendrein zu denken.
Meine fernen Freunde reisen nicht; ich selbst mag mich langen Zugreisen auch nicht aussetzen – und frage mich täglich, ob ich vernünftig bin oder paranoid … die Einordnung ist nicht unkompliziert und oszilliert von einem Tag auf den anderen.
Hier in D schlagen wir uns recht gut, doch muß man nur auf andere Kontinente schauen um zu erkennen wie fies die Lage innerhalb von Tagen werden kann. Sollte ich noch einmal diesen Satz hören »Ich kenne niemanden, der krank ist.« werde ich möglicherweise jemanden anspringen. Ich kannte jemanden, der starb.
Die wildwüchsige Empfehlungs- und Verordnunglage der Bundesländer vermag auch eher nicht zu Beruhigung beizutragen.
Unterm Strich führt Frau ein zuückgezogenes Biedermeierleben, das sie nie wollte. Schön ist anders.
Als typisch introvertierte Person war ich nie ein party animal, aber fünf Monate ohne die langen Nächte mir Freunden, ohne die Tanzereien und Konzerte, stattdessen mit Taucherumarmungen (‚Halte mal die Luft an. Ich tue es auch.), das haut verdammt auf die Stimmung. Ich sehe ein oder anderen Freund mit der Lage ganz anders umgehen, und frage mich ob meine Angst berechtigt ist.
Was auch eine Rolle spielt: Ich weiß wie es ist beatmet zu werden. Dies zeitweise bei vollem Bewußtsein erlebt zu haben, hat mich sicher traumatisiert. So mag ich ängstlicher sein als andere.
Bisher macht es mich wahnsinnig Mitmenschen zu erleben, die sich verhalten als gäbe es kein Risiko.
Andererseits verstehe ich sie – Menschen sind soziale Wesen, und einander ganz konkret in anderthalb Meter Schleifenbahnen auszuweichen, tut uns allen nicht gut.
Auch für mich selbst sehe ich den Punkt kommen, wo der Fatalismus das Zepter übernimmt. So wie ich die letzen fast fünf Monate gelebt habe, möchte ich nicht langfristig leben. Es wird der Tag kommen, wo ich beinahe alles wieder so machen werde wie ‚früher‘ (Sakra, das war im Februar. Zeitlich nicht lange her.), nur eben öfter mit Maske. Einfach, weil ich persönlich nun an Grenzen komme, an dieses Gefühl von ’so kann und will ich nicht leben‘.
Risikoabwägung, Lagebewertung – es ist und bleibt schwierig.
Ein paar Taggedanken:
Will ich wirklich die Normalität von Februar?
Nur Splitter:
Trump als Normalität, Bescheißer-VW wie immer, Gesundheit als Ware, Toennies-Fleisch unter den schon lange gekannten Bedingungen, Vermögens Verteilung wie gehabt?
Nein!
Was ist das bischen Maske und 2 m Abstand und etwas weniger Reisen dagegen.
Ich kenne Leute die bei weniger als 2m meilenweit von mir entfernt sind.
Corona ist ein Vergrößerungsglas.
Es ist, jedenfalls mir, klar, unser gewohntes Leben unsere „Normalität“ werden wir bezahlen müssen und nicht nur mit Geld. Mit Veränderung!
Wenn nicht, und gegenwärtig sieht es mit mit unserem deutschen Besserwissen, ungebremsten Rasen mit immer größeren Autos und alle Welt zu bereisen als Zeichen der „Freiheit“ also traurig aus.
Wir schaffen uns nun wirklich ab, wenn wir so normal weiter wollen.
Mal mit Heine: Denk ich an Deutschland in der Nacht…….
Und nochmal zum Schluß: Ich will diese Normalität nicht zurück.
Ps Risiko gibt es immer . Eine Abwägung leider bei zu wenigen . Ist auch schwer, denkt man nur: Ich bin das Maß aller Dinge.
Ein wenig Trump ist in uns allen.
Mein Lieber, wir reden hier, denke ich, leicht aneinander vorbei. Meine politische Haltung zum System etc. kennst du, da sind wir auf einer Linie. Ich hoffe wie du auf dringend notwendige Veränderung und überschlage mich wie du in diesem Punkt nicht gerade vor Optimismus.
Mein nächtlicher Text ist ein sehr persönliches Nachdenken. Er erzählt von den Empfindungen in dieser unklaren Lage. Vom Oszillieren und von der Schwierigkeit einer Risikoabwägung. Von Angst, Zorn, Frustration, und vor allem anderen von dem steigenden Druck, der da auf mir ganz persönlich lastet. Was das ‚alles so machen wie früher‘ betrifft, bin ich absolut nicht repräsentativ. Ich lebe so nachhaltig und bewußt wie es nur geht, reise genau einmal im Jahr, und bin ein ziemlicher Konsumverweigerer, wie du weißt. Was ich zurück will ist die Nähe zu anderen, auch physisch, und meine frühere Angsfreiheit in der Bewegung. Davon träume ich. Buchstäblich.
Soweit sind wir nicht aneinander vorbei. Die Nähe fehlt mir sehr. Lebens- und Druckangst habe ich keine , ich bin zu alt dafür. Gefühl,
bei mir ist es mehr Zorn über scheinbar nicht veränderbare Verhältnisse. Ich hatte gehofft, dass das Scheinbare durch eine mögliche Realität ersetzt werden könnte.
Pustekuchen!
Also auch das möchte ich nicht zurück.
Wenn überhaupt Sorge, dann über den Vormarsch ganz rechts. Die Trumps, Orbans Katschinskis, Nethanjahus und Putins, die sind lebensgefährlich bedrohlich.
Raketen mit 25 facher Schallgeschwindigkeit in den Händen dieser Leute macht alle anderen an Sorgen klein
Seit der Wischmopp an die Macht kam bin ich da ganz und gar fatalistisch und deshalb entspannt. Ich bin aufgewachsen unter einer echten Bedrohungslage, die erst mit Gorbatschow ein vorläufiges Ende nahm; was Idioten mit Verfügungsgewalt über rote Knöpfe betrifft, ist meine Generation ziemlich abgehärtet. Die Kleineren machen mir da mehr Sorgen (-> Pakistan).
So oder so – es braucht den Willen zur Veränderung, pro-demokratisch und in echter Humanität, und der kann und muß aus der Politik kommen!