13+12+x

Kurze Zeit zurück, gerade aus dem Jetlag, Sonntag noch den Booster abholen. Montag, mitten im schönsten Impfeffekt (Kopfschmerzen, leichtes Fieber, zeitweise Schüttelfrost) fällt mir der Himmel auf den Kopf. Die Diakonie holt mich am frühen Morgen aus dem Schlaf ‚Frau Felis, wo ist ihre Mutter?‘ Wie bitte? Die fragen MICH das, hier in Berlin, weit von NRW? Dreizehn Telefonate führe ich zunächst an diesem Tag; mit der Feuerwehr-Leitstelle in der anderen Stadt, mit dem Krankenhaus, mit der Diakonie, mit der neuen Hausärztin, mit meinem Bruder, mit dem ASB, mit der Krankenkasse, mit der Hausverwaltung (wegen zusätzlicher Schlüssel) und schließlich – endlich – auch mit meiner Mutter selbst.
Ein Kreislaufknick, ein ausgelöster Notruf, drei Stunden nutzloses Frieren im Krankenhaus, oberflächliche Untersuchung, dann Entlassung nach Hause – kein medizinischer Notfall, ergo kein Bett. Absolutes Chaos in der Betreuungstruppe, Kommunikation mangelhaft.

Ich sortiere für die nächsten Tage einen engeren Betreuungsrhythmus (nachdem sich die Organisation einer Kurzzeitpflege als unmöglich erwies; zwölf Einrichtungen habe ich abtelefoniert) – ein Beritt sondergleichen. Meine Mutter gibt zum wiederholten Male die Madame Nein und bindet mir damit die Hände. Sie ist nicht entmündigt; Niemand kann was-auch-immer tun ohne ihre Einwilligung. Argumenten verweigert sie sich. Am 23. bricht sie ein Gespräch mit mir ab – was ich ihr sage, passt ihr nicht.
Am 24. löst sie erneut den Notruf aus. Die Feuerwehr ruft mich an. Wieder verweigert sie die Einweisung ins Krankenhaus. Wir vereinbaren ein Gespräch für den 25.
Sechs Mal versuche ich sie zu erreichen, ohne Erfolg. Immerhin sagt mir die Diakonie, daß sie wohlauf sei. Am 26. das gleiche Bild. Ich setze wieder einmal den ASB in Bewegung. Wohlauf, Telefon nicht geladen.
Ein anschließendes Gespräch mit meiner Mutter mündet – endlich – in der Erkenntnis ihrerseits, daß sie das Alleinwohnen aufgeben muß. Seit einem Jahr redete ich in diesem Punkt auf sie ein, sprach von noch möglichen Optionen. Ich hätte ganz anders agieren können, wenn man mich gelassen hätte.
Jetzt ist der Weg sehr schmal geworden. EKH und Grunduntersuchung (stationär) hoffentlich ab Dienstag, danach Unterbringung in einer der Einrichtungen, bei denen wir in den Wartelisten stehen. Keine Wahl. Wo immer ein Platz frei ist – und schon dann können wir von Glück reden.
Für mich bedeutet das einen enormen Organisationsaufwand. Betreuungsvollmacht, rechtliche Betreuung, Wohnungsauflösung, Umzug. Und das in einer Zeit, in der ich eine Steuererklärung machen müßte, eine Szintigraphie vereinbart ist zum Ausschluß einer Krebserkrankung bei mir, von Arbeitsverpflichtungen und Akquisenotwendigkeiten ganz zu schweigen.
Der Oberklopfer sind dann Freunde meiner Mutter, die die Stirn haben mich um 20:58h am Abend per SMS zu fragen, ob ich über die Lage meiner Mutter im Bilde sei.

Ich habe noch keine Ahnung, wie ich das alles bewältigen und sortieren soll. Fühle mich überfordert, erschöpft, gestresst, müde, wütend, traurig.
Von meiner Schwester habe ich seit Juli nichts gehört, für das Befinden ihrer Mutter hat sie sich seit anderthalb Jahren nicht interessiert. Stand heute ist mein Bruder nur dann im Einsatz, wenn es seine Pläne nicht durchkreuzt. Wie es gelingen soll mich selbst zu schützen ohne meine Mutter fallen zu lassen – ich habe noch keine Idee.
Die Rabentochter bin ich. Dabei fährt mir langsam mein Leben vor die Wand.
Ich kann nur hoffen, daß der alte Spruch stimmt: Man wächst an seinen Aufgaben.