Nachdenken über das Brauchen

Jemanden brauchen – das ist mit Vorsicht anzugehen. Brauchen, das heißt für mich ‚Geht absolut nicht ohne.‘ Wie das ausgehen kann, sehe ich an der Symbiontenehe meiner Eltern – super so lange der andere da ist, aber wehe, wenn nicht. Von Verzweiflung bis Aufgeschmissen sein ist dann alles möglich.

Natürlich kann man ‚brauchen‘ auch etwas anders fassen, nämlich im Sinne von
»Wenn ich x oder y nicht habe, vermisse ich das, es schmerzt und fehlt.«
In diesem Sinne gebraucht habe ich immer: Zugewandtheit, Nähe, Vertrauen, Austausch, Wertschätzung, Unterstützungsbereitschaft, in Gegenseitigkeit, in allen Lebenslagen.
Nähetiere, Vertraute, Verschworene – das war mein Partnerschaftsbild, und ich zeichnete es immer wieder.
Küssen kann man nicht alleine. Dafür ‚braucht‘ es ein Gegenüber. Es sind also die Seelendinge, die ohne einen anderen Menschen nicht möglich sind. Was den Partner von allen anderen Menschen unterscheidet, sind genau die Küsse (siehe oben: Zugewandtheit, Nähe, Vertrauen, Austausch, Wertschätzung, Unterstützung…), alles andere läßt sich im Zweifel delegieren.

Was ich mir also nie gewünscht oder im obigen Sinne ‚gebraucht‘ habe, waren Macher. Machen kann ich selbst, und wenn nicht, kann ich mir das erarbeiten. So bin ich auch sozialisiert: Versuche deine Probleme zunächst selber zu lösen. Erst wenn das nicht klappt, suche dir Hilfe.
Machen fällt unter ’nice to have‘. Es ist super, wenn mir jemand Sachen machen/geben/erklären kann, die ich nicht drauf habe, wenn ich danach frage. Es ist genau so super, wenn ich etwas drauf habe, was ein anderer sich gern von mir machen/geben/erklären läßt. (Auf Nachfrage, versteht sich. Ohne Nachfrage dürfen nur Lehrer. – Grins.) Notwendig ist das für mich aber nicht.

Ich bin nicht aufgeschmissen ohne (m)einen Partner. Ich mag kreuzunglücklich und sehnsüchtig sein, aufgeschmissen bin ich nicht. Und ich möchte auch nicht, daß (m)ein Partner ohne mich aufgeschmissen ist.

»Ohne dich kann ich nicht leben.« ist kein schöner Satz. »Ich möchte nicht ohne dich sein.« ist unbedingt einer. Und küssen kann man nicht alleine.


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4 Kommentare

  1. Vor 4 Monaten noch hätte ich vollumfänglich zugestimmt (außer daß ich durchaus gern einen Macher um mich habe, aber BRAUCHEN? Nö….) Derzeit, mit eingefrorener Schulter und üblen Schmerzen BRAUCHE ich „meinen“ Herrn F. tatsächlich. Ich möchte garnicht drüber nachdenken, wie mühsam es jetzt wäre, ihn nicht um mich zu haben. Ich wäre tatsächlich aufgeschmissen, bei vielen kleinen Dingen wie „Staubsaugerbehälter ausleeren“, manchmal „autofahren“ (okay, da würde ich dann ein Taxi bestellen), Wiese mähen, aber ich darf auch mal (in Grenzen, aber doch) die schlechte Laune an ihm auslassen, ihn einen halben Tag lang anschweigen oder soagr mal schluchzend zusammenklappen (das ist für ihn der schwierigste Teil, mit sowas kann er nicht um, aber er hält sich wacker ;-))
    Ich stelle fest, daß ich dankbar bin und es nicht mal schlimm finde, daß es so ist. Ich kanns gut annehmen, und er übernimmt die Rolle ganz selbstverständlich und ungenervt (DAFÜR bin ich noch viel dankbarer, übrigens)

    1. So meinte ich es nicht. Natürlich ist es toll jemanden um sich zu haben, der hilft. Die Unterstützung dann dankbar annehmen können – auch toll.
      Der Punkt den ich machen wollte: Von einem anderen abhängig zu sein, nahezu 100%ig, ist für das eigene Sein mörderisch, wenn der andere (aus welchen Gründen auch immer) weg fällt.
      Sich die Selbständigkeit zu erhalten ist sowieso wichtig (Beispiel: meine Mutter kann nicht einmal Überweisungen machen, weil sie weder mit Computer noch mit Smartphone umgehen will – hat immer er gemacht, damit will sie sich nicht befassen – wie überhaupt mit allem aus dem Bereich.). Doch ‚Machen‘ lässt sich immer delegieren, im Zweifelsfall bezahlt man jemanden dafür.
      Gnadenlos wird es aber, wenn man emotional von jemandem abhängt. Wer sein ganzes Selbstbild aus der Anerkennung, Wertschätzung, Nähe etc. eines anderen zieht, nie gelernt hat sich selbst auch zu mögen und so etwas wie ein eigenes Standing zu haben, eine Mitte, der liegt dann wirklich auf der Schnauze.

      Übrigens kam ich zu diesen Überlegungen, weil mir kürzlich jemand sagte »Wenn du dich mit [technischer Kram] befasst hättest, hätte ich dir helfen können und hätte mich gebraucht gefühlt.« Ich bin fast hintenüber gefallen, denn soweit ich überhaupt jemanden ‚brauche‘ brauchte ich diesen Menschen – aber bestimmt nicht fürs Machen, sondern fürs Sein!

  2. Emotionale Abhängigkeit ist wirklich was ganz gräßliches, für beide Teile! Neee, das geht gar nicht, da würde auch sofort mein Fluchtreflex einsetzen!
    Aber ich empfinde dies momentan schon als etwas mehr als nur „unterstützt werden“…
    Was Du von Deiner Mutter erzählst ist in dieser Generation weit verbreitet. Ich kenne eigentlich kein Paar in dem Alter, bei dem’s anders wäre. Totale Aufgabenteilung. Vaddern kann nicht mal ein hartes Ei kochen, Muddern hat sich nie um Geld/ Versicherungen etc gekümmert (ist aber immerhin für den Notfall eingewiesen) P. weiß nicht, wo man welches Nahrungsmittel in der Küche findet, M. wäre total überfordert, wenn sie Gas bestellen sollte …. Zum Glück ist das in unserer Generation anders. Oder leider – es erleichtert natürlich auch das Leben, wenn man nicht ALLES können muß.

    1. Zu deinem letzten Satz: Ja, unbedingt. Ich bin aber sehr froh, daß ich im Zweifel alleine fast alles kann – oder weiß, wie ich an jemanden komme, der es kann. Gerade jetzt, gerade heute. Nur küssen kann ich nicht alleine :(
      Und damit wären wir dann wieder beim Thema. In short: Wenn ich persönlich überhaupt etwas brauche, dann sind es emotionale Fähigkeiten/Qualitäten in (m)einem Partner, eben genau das, was du vermutlich meinst mit deinem ‚mehr‘. Genau darauf wollte ich ja hinaus.

      Dennoch: auch da sollte ich (jeder, denke ich!) darauf achten, daß ich mich nicht davon abhängig mache in meinem Selbstwertgefühl, der Selbsteinschätzung etc.pp.bla.

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