Materie und Nachhaltigkeit

Ich weiß nicht, ob ich schon einmal von der in meinem Quartier geübten Sitte erzählt habe, Dinge, die man nicht mehr braucht, die aber völlig okay sind, auf einem der Papierkontainer im kleinen Müllhof abzulegen. Das ist so einer der Artikel, die ich schon ewig schreiben wollte – und nur zu faul war die entsprechenden Photos zu machen. Das bin ich immer noch, deshalb examplarisch ein Bild meiner drei Lieblingsgeräte, alle aufgefunden in der Originalverpackung und mit intakter Versiegelung.
Allein bei diesen Dreien haben wir es bereits mit Werten zu tun, es kommen hier etwa 180 Euro zusammen. Die Dashcam in Originalverpackung, die ich letzte Woche dort fand, ebenfalls in OVP und so komplett wie intakt, kostet zwischen 90 und 130 Euro.
Diesen Entsorgungshof frequentieren ungefähr 500 Mietparteien, es vergeht kaum eine Woche ohne Fundstücke. Bücher ohne Ende, Gläser und Geschirre, Kochtöpfe, Elektrogeräte, Blumenübertöpfe, ganze Pflanzen – man kann es sich nicht vorstellen.
Verschämter sind die Leute mit Kleidung. Ich habe gelernt beim Wegbringen meines Mülls auf die vordere linke Ecke der Container zu achten. Offenbar wird intakte Kleidung behutsam und vorsichtig dort abgelegt, dabei scheint eine gewisse Scham eine Rolle zu spielen.
Ich besitze ein stahlblaues Kleid, das ich sehr mag, an dem noch die Verkaufsetiketten hingen – ganz offensichtlich nie getragen. Es gibt eine brandneue Jacke von Gil Bret, ein kleines Schwarzes von Taifun, eine Bermuda von Vero Moda … Natürlich jage ich alles erstmal durch die Waschmaschine, aber mehr braucht es nicht.
Manche Pflanze in meiner Wohnung fand ich ebenfalls dort, in mehr oder minder traurigem Zustand, in der Regel mitsamt Übertopf. Resignierte Eingeständnisse – ‚Ich kann mit Pflanzen nicht umgehen‘. Die Grünlilie auf meiner Fensterbank gedeiht seit Jahren wunderbar bei mir, und die Katzen freut’s auch. Diverse Benjamini, Drachenbäume, Gummibäume haben sich unter meiner Pflege absolut erholt und gedeihen wunderbar. Von elf Pflanzen in meiner Wohnung habe ich genau vier gekauft. Die anderen kamen – ratet woher. Grins.
Damit nicht genug – Regale, Tische, Putzutensilien in Originalverpackung. Sogar meine Champagnergläser (Ritzenhof, 6er-Satz, unbeschadet) fand ich dort.

Ich selbst verfahre inzwischen anders: Ich bin in einem Nachbarschaftsnetzwerk organisiert und stelle Dinge, die ich in meinem Leben nicht mehr haben möchte, die aber intakt sind, dort als zu verschenken ein. Nie hat es länger als 24 Stunden gedauert, dann hatten diese Gegenstände einen neuen fröhlichen Besitzer.

Ich finde diese Sitte des Ablegens zu Weitergabe wunderbar. Nerven tun mich die Aufräumfreaks, die diese Dinge von den Containern IN die Container verbringen. Was ich aber in diesem Leben nicht mehr begreifen werde: Artikel in versiegelter OVP oder noch mit Verkaufsettikett, die man einfach buchstäblich ‚in die Tonne tritt‘.

Schon seltsam. Oder was meinen meine Leser?