Im Juli

Wenn man sich jetzt direkt an einen See beamen könnte, das wäre nicht schlecht. Eine halbe Stunde Bahn und dann noch 10 Kilometer mit dem Rad durch die 38 Grad Celsius, die es mindestens hat in der Sonne – das reizt mich dagegen gar nicht. Also flute ich den Balkon mit 20 Litern Wasser, hänge ein tropfnasses Handtuch an die indonesische Sonnenblende, kämpfe eine Weile mit dem Wackeltisch, vergesse aber nicht die Stromzuleitung für den Laptop vom Wasser fernzuhalten, stelle mir einen Kaffee hin, schmeiße mein Kleid über einen Stuhl – es könnte ja jemand klingeln und ‘was von mir wollen – und sitze dann hier. Die Füße im Wasser, eine kaum spürbare Brise auf der Haut, und kann endlich wieder schreiben.

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Wie sehr man sich mitunter ärgern kann so unfähig zu sein. Unfähig, zum Beispiel, von so kleinen Störfaktoren wie einem wackelnden Tisch unter dem Computer einfach abzusehen, es zu ignorieren. Stattdessen so lange herumturnen zu müssen, bis nichts mehr wackelt. Unfähigkeiten. Ein weites Feld. Viele sehen wie ein Manko aus, und gehören bei näherer Betrachtung zu den Dingen, die einem – die mir! – immer wieder den Ar… retten. Die Unfähigkeit aufzugeben. Sich, die Selbständigkeit, die Liebe, den Nonkonformismus, den Glauben an andere. Nein, kein roter Teppich. Nicht die Spur. Eine gewisse Rücksichtnahme, das ja, aber kein roter Teppich. First questions first – ‘Ist das wirklich mein Problem oder versucht man lediglich es dazu zu machen?’ Konsequenz.

Die kleine schwarze Kugel innen lassen. Herznahe, aber behütet und geschützt.

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Karpaltunnelsyndrom – das hatte gerade noch gefehlt.

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Den Preis für die beliebteste Schülerin der Klasse werde ich auf keinen Fall bekommen. Doch hatte ich nicht schon mit knapp acht Jahren den Gedanken daran aufgegeben? Zwar wird das Leben davon nicht eben leichter, doch wohlgetan war es. Bleibt es. Hinter Linien zurückzukehren, die als falsch erkannt wurden, ist kleinmütig und feige. Mein Kettenhemd hat sich nach innen verlagert. Tarnmodus. Bird of prey.
So kann das sein.  So darf es bleiben.

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Seine ganze Körperhaltung drückt Betroffenheit aus. Er nimmt die verspiegelte Brille ab, schaut mich direkt an und sagt: Ich kann auch ganz wohlerzogen und höflich sein! – Dabei hatte ich vom peinlichen Ausgang des Spiels gesprochen, nicht ihn gemeint. Der Lärm der Fußballfans. Gemeinsam lachen wir die kleine Verlegenheit in Grund und Boden.

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Der klatschnasse Saum des schwarzen Kleides. Barfuß durch das flache Wasser, spielen mit den Fontänen. Altwerden fängt noch immer im Kopf an. Jungbleiben auch. Die Kleine, die an der Schulter der Mutter hilflos schluchzt – ‘Carmen’ als allererste Opernerfahrung kann sehr hart sein, wenn man noch keine Haut auf der Seele hat.

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Lauer Wind streichelt die Schultern. Ordnungsamt, Terassenschließung und beinahe böse Blicke vertragen sich so schlecht damit, daß Unbehagen über die Menschen fällt wie ein Peitschenschlag in den Rücken. Nichts wie weg da.
Das Zögern und der fragende Blick, der ausbleibt. In die Breite vieles mitgedacht, daher kein Wort, kein einziges. Es ist schon richtig so. Mitsamt Flieder, Matjes, Mückenplage und der Hilfe beim Aufstehen.

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Es kann sehr schwierig sein die zerbrechliche Schönheit der Glaskugel an den anderen vorbeizubalancieren – heute gelingt es mir nicht. Der ordinäre Lärm der Pubertantenparty nebenan schlägt die zarte Struktur in Stücke. Rückzug. Rückzug.

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‘Ein Zimmer für sich allein’ darf auch im übertragenen Sinne verstanden werden. Positionsbestimmungen. Haltungsfragen. Innere Stimme abhören. Mitte justieren. Das alles geht nur und nur und nur und nur, wenn man allein ist. Bewege dich unablässig unter Menschen und du wirst ganz sicher deine Mitte und deine Erdung einbüßen, gleich wie wohl du dich damit zu fühlen meinst. Gelebte Erkenntnis. Schon lange. Jetzt weitergegeben.

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Die Mitbewohnerin verbringt weite Teile des Tages – und neuerdings auch die Nächte – in der kühlen wasserleeren Badewanne. Täte ich wohl auch, wenn ich meinen Pelzmantel nicht ausziehen könnte.

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Vitello tonato geht ganz wunderbar auch ohne Vitello.  Ohne Rezept verfertigt, nach der Geschmackserinnerung. Umwidmung zur Spaghettisauce für den späten Abend – Mir steht der Sinn nicht danach an heißen Sonntagen Vitello zu jagen. Nichteinmal in dieser Stadt, wo dies immerhin Erfolgschancen hätte.