Als Kind konnte ich dem Sonntag als solchem nichts abgewinnen. War das Wetter nicht perfekt, bedeutete der Tag oft genug Verwandtenbesuche und damit eine Menge Langeweile oder – schlimmer noch – »Wie geht’s in der Schule«-Fragen, wahlweise auch »Was bist du groß geworden!«- Rufe plus ungeliebter Abknutschereien.
Für eine Jugendliche in der schwäbischen Diaspora war der heilige Tag noch übler. Absolut nix los im 900-Seelen-Kaff, der Bus in die Kreisstadt fuhr nur unter der Woche, und die Eltern versuchten ihre Kinder mit Brettspielen oder Haushaltsaufgaben beschäftigt zu halten. Obendrein dräute bereits der Montag und der Mathetest, der einen kaum schlafen ließ. Fürchterlich.
Seit ich erwachsen bin, ist das ganz anders, seit ich berufstätig bin um so mehr: Absolut niemand – Freiberuflichkeit hin oder her – hat das Recht einen Anspruch auf meine Zeit zu erheben, übliche Standards wie Einkaufen fallen flach, meine Zeit gehört ganz mir.
So passiert an diesen Tagen – trotz ausschlafens – oft erstaunlich viel. Man genießt den Kaffee mit Frühstück auf dem Balkon, liest ein wenig, kuschelt mit den katzigen Mitbewohnern, gießt die Blumen, räumt vielleicht ein wenig herum oder mal die Spülmaschine aus, findet womöglich den Impetus ein paar Blusen zu bügeln (ohnehin eine sehr kontemplative Tätigkeit), schreibt Briefe (mit dem Computer, weil die Handschrift über die Jahre zur Sauklaue mutiert ist, die man nicht zumutbar/leserlich findet), die man dann ausdruckt, ganz old school eintütet, mit Marken versieht und eben schnell mit dem Rad zum Postbriefkasten fährt.Vielleicht lädt man eine Freundin zu Zimtschnecken ein oder telefoniert sich mit einem fernen Freund platte Ohren … Alles geht, nichts muß.
Ich mag Sonntage.