Ich will mich nicht verabschieden.
Nicht von meinen Träumen. Nicht von meiner Mutter, die immer weiter in die Demenz abtaucht. Nicht von dem Spaß und der Lust in meinem Leben, vom Sex. Nicht von der dunklen Farbe meiner Haare. Nicht von dem Hunger auf Leben und nach unbändigem Gelächter. Nicht von den Gesprächen, die sich um anderes drehen als gesundheitliche Malaissen. Nicht von den trotzigen Gedanken und der Lederhose. Nicht von einem freien und seltsamen Sein.
Ich trotze. Ab Juni werde ich viel durch die Gegend fahren – Seen, Wald, Gegend. Mit der Freundin in die Oper gehen. Vielleicht eine Pop-Up-Disko schmeißen. Auf jeden Fall viel draußen sein. Und mich endlich wieder um die Lebensqualität in meinem eigenen Leben kümmern.
Ich liebe das Leben so sehr und verabscheue den Gedanken, eines Tages sterben zu müssen. Und außerdem bin ich schrecklich gierig; ich möchte vom Leben alles […]
Simone de Beauvoir
Und die Haare werden gefärbt. Alle.
Hihi…. das mit den Haaren werde ich nie verstehen. Ich mag es, daß die ihre Farbe und Struktur ändern. Von der Lederhose hab ich mich vor Jahren verabschiedet (die super passende war nicht mehr zu retten, die andere wollte ich nicht mehr retten….) – aber Jeder das Ihre: ich weigere mich, das buddeln sein zu lassen und will und will und will nicht, daß streichen (Wände) und zupfen (Grasbüschel, Weißklee und Co) nicht mehr gehen!!!!
Ja, manche Abschiede sind leicht, andere hart! Aber daß das Alter der Abschiede gekommen ist, das können wir nicht weglachen oder -trotzen. Leider.
Sehe ich anders. Mein Vorbild ist da Dr. Ruth Westheimer. – und meine ein Single-Leben führende Großtante.
Jedes Lebensalter hat seine Qualitäten. Als ich drei Jahre alt war, habe ich mich ja auch nicht darüber aufgeregt, daß ich weder gut laufen noch radfahren konnte. Bisher habe ich aber auch Glück – die Einschränkungen halten sich sehr in Grenzen. Dabei hat es sicher nicht geschadet, daß ich bis Mitte Dreißig viel sportliche Sachen gemacht habe – Reiten, Aikido, Jazztanz und tägliches Radfahren. Man schafft sich eine physische Basis, und dieses Polster scheint recht weit zu tragen.
Die Abschiedsperspektive ist gar nicht meine. Auch im mittleren bis späten Lebensalter gehen noch Türen auf statt zu, davon bin ich überzeugt. Mit der Abschiedsperspektive – da bin ich abergläubisch – lädt man Dinge in sein Leben ein, die man weder will noch unbedingt erleiden muß. Mit kritischem Blick muß man überdies zugeben, daß sich Abschiede von Anfang an durchs Leben ziehen, beim Einen mehr, beim anderen weniger. Kein Grund den eigenen Blickwinkel darauf zu verengen!