Seit dem Ereignis, von dem wir nicht wußten, was es war, ging es The One sehr schlecht. Sie konnte nicht einmal aufstehen, von laufen ganz zu schweigen. Fürs Füttern stellte ich sie auf die Beine, Stützung zwischen meinen Oberschenkeln, eine Hand gab Halt vor der Brust, die andere hielt ihr die Futterschale direkt unter die Nase. Wenn sie Durst hatte, teilte sie das durch Schmatzen mit, Wasser dann über eine Spritze seitlich ins Maul. Wenn sie genug hatte, drehte sie den Kopf weg.
Die andere Seite des Stoffwechsels lief über schlichtes ‘Gehenlassen’ – Decke, Handtuch, Gummituch dazwischen. Wir waren immer sehr schnell, selbst nachts, halb im Schlaf, merkten wir sofort, wenn sie unter sich gelassen hatte. Sie mußte also nie länger als eine Minute in/an ihren Stoffwechselprodukten liegen. Ein ‘Zweitsatz’ trockene Unterlage war immer direkt griffbereit. Für die Nacht trugen wir sie zwischen uns, die Wasserspritze auf dem Nachtisch, immer irgendein Arm um sie. Das waren Momente, in denen sie sichtbar glücklich war – zwischen uns, schnurrend.
Zwischen uns mußte sie sein, denn im Schlaf hatte sie epileptische Zustände, sie hätte vom Bett fallen können an einer Außenseite.
In all dieser Eingeschränktheit ist sie nie eingetrübt. Tagsüber folgte mir ihr Blick, sie verstand es mir mitzuteilen, wenn sie Wasser brauchte oder hungrig war. Nichtsdesto war klar: Wenn das so blieb, war das kein haltbarer Zustand, weder für uns noch für sie. Sie war sichtbar unglücklich darüber nicht aus eigener Kraft auf ihre Toilette zu kommen, man kam fast auf die Idee, diese Unfähigkeit sei ihr peinlich …
Wir litten, ich glaube, alle drei.
Am 24. war der Unfall – oder was auch immer da war – passiert. Am 28. machten wir mit der Vet schweren Herzens einen Euthanasietermin für den 30. abends aus, hier, nicht in der Praxis. Am 30. morgens hob The One den Kopf von der Decke, bewegte die Vorderläufe, das hatte sie seither nicht gekonnt. Am Nachmittag sagte ich den Termin ab. Die Frau vom Fach war einverstanden. Seit dem 25. bekam The One neben den normalen Medikamenten Kortison, es gab leise Zeichen für eine mögliche Entwicklung zum Positiven – es war sinnvoll einfach mehr Zeit zu geben.
Einige Tage geschah sehr wenig. Wir meinten winzige Fortschritte/Rekonvaleszenz zu sehen, waren aber oft unsicher – Wunschdenken? Jedenfalls war sie unbestreitbar ‘da’ und aufmerksam.
In der Nacht zum 9. hatte ich sie gegen Fünf in der Früh im Wohnzimmer auf ihre Decke am Boden gebracht – es schien ihr zwischen uns zu eng zu werden, sie hatte mich mit ihrer Unruhe geweckt. Gegen 8:30h ging der Mann aus dem Haus, The One schlief auf ihrer Decke, ich legte mich nochmal hin. Um kurz nach Neun kam ich schlaftrunken ins Wohnzimmer, und mich traf fast der Schlag: Da saß sie, schief und krumm, aber sitzend, um einiges neben der Ruhedecke, und schaute mich an Marke ‘Wo bleibt mein Futter, verdammt?!’
Ganze drei Stunden später lief sie! Mühsame, schwankende Schritte, sie fiel immer wieder mal um – und stand direkt wieder auf, unter erkennbarer Anstrengung, aber doch. Wir trugen sie auf ihre Toilette, wenn sie auf eine bestimmte Art unruhig wurde, stützten sie – dabei allein stehen klappte nicht, alles andere schon, wenn auch etwas gequält.
Seither sind jeden Tag Fortschritte zu sehen. Seit dem 13. läuft sie ohne umzufallen und geht wieder selbstständig auf die Toilette. Nachts ist sie nach wie vor bei uns. Vom Bett springen kann sie (noch) nicht, legen wir sie davor, versucht sie allerdings aufs Bett zu springen und legt sich dabei auf die Klappe, ergo haben wir entschieden sie mitzunehmen. Wenn sie runter will weckt sie uns, und einer von uns hilft ihr herunter ohne dabei auch nur wirklich aufzuwachen :)
Sie läuft wenig einfach so herum, liegt noch viel, schläft viel, geht aber selbstständig fressen und pieseln etc. – und sagt natürlich an, wenn ihr nach Futter oder Streicheleinheiten ist. Kortison haben wir in Absprache mit der Vet ausgeschlichen, letzte Dosis vorgestern, wir werden sehen.
Insgesamt ist sie stiller und zurückhaltender geworden. Wir haben den Eindruck, daß sie mit sich selbst ungeduldiger ist als wir. Es passt ihr nicht, daß ihr der Körper nicht so gehorcht, wie sie will. Fressen tut sie gut. Olivenöl im Futter – wegen der Verdauung unter Bewegungsmangel – ist Normalprogramm geworden.
Wenn sie so weitermacht, wird sie nächste Woche wieder vom Sofa springen. Rauf hat sie schon erfolgreich bewältigt, versucht es aber selten. Wohl weil das ‘Runter’ ein knalliger Mißerfolg war – und wer legt sich schon gerne auf den Bart? Wir warten. Und sind ohnehin dankbar. Für uns Zweibeiner ist die ganze Sache ohnehin ein Wunder …
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Facts: Die Art und Weise ihrer Erholung spricht dafür, daß wir – die Vet, der Mann und ich – uns irrten. Obwohl die klassischen Symptome fehlten, spricht die Entwicklung dafür, daß es sich um einen Schlaganfall gehandelt haben muß. Ihr Gehirn ist nun kompensatorisch unterwegs, man kann sagen: es sucht sich andere Wege wo die alten blockiert sind. Was man auch sagen kann: Dieser Prozess findet bei allen derartig geschädigten Vertebrae statt, er ist bei den Felidae – wenn man The One als repräsentativ annimmt – aber bei weitem schneller und effektiver als z.B. beim Menschen. Auch: epileptische Symtomatik ist bei The One erst im Zusammenhang mit dem vermuteten Schlaganfall aufgetreten. Auch hier: Im Zuge ihrer Erholung werden diese Schübe seltener. Natürlich ist sie nach wir vor ein schwer krankes Tier – ohne die Schilddrüsenmedikamente, die Herzstützung und den Blutdrucksenker geriete das System sehr schnell final aus dem Tritt – und natürlich ist sie für eine Katze bereits ungewöhnlich alt geworden. Ohne im geringsten zynisch werden zu wollen: Man fragt sich angesichts dieser erfolgreichen Kompensationsleistungen im System des Tieres, was letztlich zum Zusammenbruch führen wird, irgendwann …
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I <3 the one.
so. nu weißtes ;)
So do I!
(Es tut sich noch immer etwas: Sie atmet wieder leichter und hat heute eine alte lang vermisste Gewohnheit wiederaufzunehmen: Ein oder zwei Runden um die Menschen auf dem Bett – trotz weichen Untergrunds!)