Sonntagsdemo

Himmel, so viele Straßen gibt es gar nicht wie man auf diese gehen müßte.

Aber von vorn (und dies ist ein sehr persönlicher Bericht): Heute auf der Demo von der Reichstagswiese über den großen Stern und die Straße des 17.Juni bis zur CDU-Zentrale. Es war kalt, doch waren fast alle darauf eingerichtet. Ich: Zwiebellook, Schal und dicke Winterjacke, Wärmepads in den Stiefeln (tolle Erfindung!)
Sehr früh hatten die Menschen Berlin Mitte praktisch geflutet. 160.000 waren es, sagt die Polizei, mein Eindruck war anders, ich tippe eher auf 200.000. Oft haben wir dicht gedrängt gestanden und auf Bewegung gewartet. Eigentlich schwierig, doch waren die Menschen miteinander ruhig und sehr freundlich. Man ist mir sicher ein Dutzend Mal in die Hacken getreten, und immer kam ein ‚Sorry. Entschuldigung.‘ von jemandem, zu dem ich mich mangels Raum nicht umdrehen konnte. Viele Familien mit Kindern hatten sich in die Menge gewagt, überhaupt war die Mischung interessant. Menschen jeder Alterstufe, jeder Hautfarbe, skandierte Antifaschischmustexte in vielen Sprachen – italienisch, spanisch, englisch. Die Stimmung war beinahe fröhlich, was zu dem beißenden Spott auf vielen Schildern und Transparenten passte. Es war schön mit diesen Menschen zu laufen, schön zu sehen wie viele, die sonst eher nicht auf Demonstrationen gehen, nun Haltung zeigen wollten.

Mich persönlich hat vor allem die Rede von Luisa Neubauer beeindruckt.
Wir wissen doch, wohin das führt. Wer einmal den Anstand aus dem Fenster wirft, findet ihn so schnell nicht wieder.[..]Anti-Rassismus und Anti-Faschismus sind keine linken Projekte. Wir brauchen konservative Politiker, die das wissen.

Anekdote am Rande: »Wir sind da, wir sind da, die Berliner Antifa.« skandierte eine Gruppe. Ich konnte es mir nicht verkneifen zu rufen ‚Wäre ja auch schlimm, wenn nicht.‘ und alles lachte.

Die Polizei war ruhig, freundlich, bestimmt, die Leitung der Menschenmasse hat gut funktioniert so weit ich sehen konnte.

Weniger schön: Die Rezeption in der Politik.
Christian Lindner will Koalition mit Grünen per Beschluss ausschließen +++ Markus Söder: „Diese Woche hat die Union klargemacht, dass es ihr Ernst ist. Und damit ist die Glaubwürdigkeit auch eines neuen Bundeskanzlers Friedrich Merz enorm gestiegen“

Damit bin ich wieder bei meinem Satz vom Anfang: So viele Straßen gibt es gar nicht wie man auf diese gehen müßte.
Die Menschen gehen auf die Straße, auch jene, die das zuletzt vor dreißig Jahren taten, und die angesprochenen Politiker denken, sie könnten das ignorieren oder gar umdeuten?

Ich fürchte, ich muß noch oft auf die Straße in den nächsten Wochen.

Quellen/Bezüge:
FAZ
Tagesspiegel
Süddeutsche
ZDF
DW

In der Auslandspresse habe ich nichts gefunden. Es mag sein, daß ich etwas übersehen habe …

7 Kommentare

  1. Sehr interessant und gut für dich.
    Ich bin froh, dass ich nicht auf dieser Demo war. Wer glaubt denn im Ernst, dass Konservative, will man die Merz Söder – CDU so bezeichnen, bis 23.Februar den Anstand Lisa Neubauers oder irgendeines anderen, den man auch nicht kennt, wieder finden wird.
    Merz hat es gesagt eine Stimme für die AFD ist für ihn am 24.Februar wertlos. Warum also wählen?, wenn nicht CDU.
    Das ist eine Demokratie, die ich nicht haben will.
    Ich verlange Anstand ausnahmslos Aller gegen Alle. Schließt auch Frau Weidel und die AFD und die anderen Unanständigen ein, selbst wenn man sie für den Teufel hält.
    Es bleibt zu hoffen, dass ein Parlament gewählt wird, in dem jeder mit jedem reden kann. Ich möchte keine Ausschlußwahl, die die Probleme auch nur einer kleinen Gruppe Wähler ignoriert.
    Das fürchte ich, bleibt aber eine Utopie. Macht und Money werden siegen.
    30 % Nichtwähler und 20% AFD Wähler ganz schön viel Wertloses und ändern wird sich nichts.
    Ziemlich verloren in unsettem schönen Land.

    1. Ja, aber …
      Ich kann mir nicht helfen, Wolfgang, nicht zu vergessen: Auch Hitler ist demokratisch gewählt worden. Das ist ein lautes Klingeln in meinen Ohren.

      Der Spruch mit der Wertlosigkeit ist eine unfassbare Unverschämtheit. Keine Frage.

      1. Historische Vergleiche hinken immer. Auch die meinen. Die Vorzeit vor 1933 Weltwirtschaftskrise, mithelfende Erzkonservative, Gleichschaltung der Presse und ein Noske SPD., sowie Ignoranz der eigentlichen Probleme erinnert doch ziemlich. Das macht mich fürchten.

  2. Gut, wenn Menschen sich bekennen. Doch es geht um viel mehr: Ich würde lieber dafür demonstrieren, dass die Parteien sich wieder daran erinnern, warum sie im Bundestag sind – nämlich um dieses Land zu regieren. Momentan hat man eher den Eindruck sie sind ausschließlich dort um ihre eigenen Lager zu verteidigen und sich abzugrenzen. Wer ernsthaft gute Politik betreibt, tut mehr gegen das Gedankengut unerwünschter Fraktionen, als jene, die ständig Gräben ziehen.
    Wird es irgenwann mal wieder eine Zeit geben, und der man das Optimum wählt – und nicht das kleinste Übel?

    1. Teile ich ersichtlich auch. Muss ja nicht alles Rüttli Erster Satz sein, etwas mehr wäre gut.
      Gilt auch für den letzten Satz,
      Dein Freiheit der Väter wohl lieber nicht.

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