Freundin, Cat Woman, Beraterin, Diskussionspartnerin, Unternehmerin, Kreative, Schwester, Geliebte, Pferdediebin, Lesefräse, Schreibende, Lehrende, Innenarchitektin vom Dienst, Liebende – ich (er)fülle eine Menge Rollen in meinem Leben, und es kommen immer noch welche dazu. Jede Position fordert andere Fähigkeiten und Facetten dessen, was ich bin. Was ich nicht mehr bin: Blitzableiter, Sündenbock, Projektionsfläche. Diese Funktionen treten aktuell in keiner meiner Lebensrollen mehr auf, und darüber bin ich froh. Andere Rollen vermisse ich – doch hatte ich sie je, oder habe ich das nur glauben wollen?
Die Rückmeldungen aus dem Freundes- und Bekanntenkreis sind vor allem posiiv. Entspannter, gelassener, ruhiger sind Worte, die fallen. Auch: trauriger. Nunja – wie sollte es anders sein? Und oft höre ich: zu reflektiert. Das ist wohl so. Ich war es und bin es nun, da ich mich ganz neu erden muß, sicherlich zu oft. Spontan zu sein, unmittelbar zu sein muß ich erst wieder lernen. Zu lange war ich daran gewöhnt jeden meiner Schritte kritisiert zu sehen, nicht auf dem sicheren Boden des »Ich mag dich wie du bist. Mit allen Teilen.« zu stehen. Das schlägt große Löcher ins Vertrauen. Zu sich und zu anderen. Auch gewöhnt man sich so sehr daran, daß man erst bemerkt was passiert ist, wenn es nicht mehr so ist. Und dann geht es natürlich erst richtig los mit dem Reflektieren – warum, warum, warum? Hart ist das, schmerzhaft, manche (Selbst)Erkenntnis so bitter wie Brechwurz.
Ich bin meinen Eltern sehr dankbar, die mich früh lehrten wie wichtig innere Autonomie ist, und daß diese nicht automatisch im Widerspruch zur tiefen Liebe zu einem anderen steht. Ich erfuhr das auch am Gegenbeispiel, denn meine Mutter hatte ihre Autonomie weit aufgegeben, willlentlich und im Bewußtsein, daß mein Vater es schon richten werde. Kann man machen, ist aber tödlich, wenn man den anderen überlebt. Daß dann ich in die Rolle meines Vaters gerutscht bin – weil ich es mußte, aus Liebe wie auch aus Verantwortungsgefühl – ist wieder eine andere Geschichte.
Innere Autonomie, ein Leben haben, in dem sich nicht buchstäblich alles um den einen geliebten Menschen dreht, viele Rollen haben und wollen und diese mit Leben füllen, persönliche Pläne, Ziele, Träume haben – das ist unabdingbar für eine eigene Identität. Es macht einen zu genau diesem Menschen, den es auf der ganzen Welt genau einmal gibt – und danach nie wieder.