Es gibt auch für introvertierte Menschen zwei Sorten von Einsamkeit. Die eine, die bedrückt und alles eindunkelt, und die andere, die einfach nur ein ausgeglichenes Mit-sich-allein-sein ist. Die erste Sorte treibt auch Introverts zur Verzweiflung, die zweite Art leben sie intensiver und selbstverständlicher als jeder andere, weil sie sie brauchen. Fehlen diese Phasen, fangen wir an am Rad zu drehen, werden dünnhäutig, reizbar, nervös, unkonzentriert.
Für mich persönlich bedeutet das, daß ich wahrscheinlich nie wieder mit jemandem zusammenziehen werde. Zu wichtig ist der Rückraum, der einfach nur meiner ist. Wobei sich das sicher relativieren läßt – vor langer Zeit, in einer 135qm-Wohnung, die sich gut in seinen, meinen und den allgemeinen Bereich teilen ließ, ging das sehr gut. Lag aber auch am Respekt. Er hat meine zwei Räume nie betreten ohne zu klopfen, wenn die Tür zu war. War sie offen, war auch ich es. Für seinen Bereich galten dieselben Regeln. Übrigens unausgesprochen. Die Empathie auf beiden Seiten hat diese Situation einfach wachsen lassen.
Auf Übergriffigkeiten reagiert jeder empfindlich, Introverts sind da aber noch ein anderer Streifen. Je nach Temperament führen ungefragt gelieferte Welterklärungen entweder zu seufzender innerer Immigration oder zu aggressiver Abwehr, die Verläufe sind fließend. Wann immer man es mit einem introvertieren Menschen zu tun hat, tut man gut daran ab und an einfach mal zu fragen, bevor man den anderen mit Sachen überschüttet, die er gerade so nötig hat wie ein Loch im Kopf.
Die Kallibrierungsphasten, die ein Introvert nötig hat, sind keine Absage an ein partnerschaftliches Verhalten. Im Gegenteil. Da braucht nur jemand Zeit zum Sortieren. Und wird dabei – für den Partner, für den Freund – meist mit zwei Köpfen denken.