Ein schlechter Tag. In den Stunden bei ihr erreiche ich sie kaum. Ab und an blitzt etwas auf (die seltsamste Diskussion über die Notwendigkeit von Wasser beim Duschen und ihre – ganz neue – Abneigung dagegen nass zu werden. Fühlt sich an wie absurdes Theater.)
Die Pflegedienstleitung berichtet vom Bett beziehen dreimal pro Nacht – sie hat ihre Blase kaum noch unter Kontrolle – und sie zieht sich aus. Immer wieder. Nächtens.
Man bittet mich um die Beschaffung von Pflegeoveralls. Damit kann sich der Patient der Einlage und des Slips nicht mehr entledigen. Ich verstehe das Problem, doch kann ich mich des Gedankens an Zwangsjacken nicht erwehren. Schwierig. Letztlich, denke ich, wird es auch für sie besser sein, wenn sie nicht 3x pro Nacht unter die Dusche gestellt werden muß. Habe also diese Overalls bestellt.
Kritik an der Pflegelage: Wenn Shampoo und Duschgel ausgehen, dann kann man mich – verdammt nochmal! – anrufen. Die wissen alle, daß ich nicht weit weg bin!
Manuela berichtet mir von sehr klaren Phasen und lustigen Dialogen. Irgendwo ist sie noch da, immer wieder mal, doch die Orientierung in der Zeit ist absolut im Eimer.
Der Brief einer Freundin menes Bruders – die meine Ma nie kannte – löst eine katastrophale Panik in ihr aus. Ich kann es mir ausrechnen »Müßte ich diese Person kennen? Habe ich sie vergessen? Wie soll ich reagieren?« Es ist nicht leicht meine Mutter zu beruhigen. Nervenzerfetzend in welchem Tempo ihr geistiger Verfall voranschreitet.
Verdammte Axt! Mit welchem Recht gibt der Bruder die Adresse an andere Menschen? Und wie wenig hat der Bruder auf dem Schirm, wo wir hier sind, in welchem Zustand sie ist? In den Urlaub kann er fahren, immer wieder mal, aber seine Mutter zu besuchen oder sich wenigstens mal nach dem aktuellen Stand zu erkundigen, das ist offenbar zuviel. Ich bin unfassbar sauer. Fürderhin werde ich ihre Post sichten, bevor diese bei ihr landet, habe das mit der Pflegedienstleitung so abgesprochen. Ich habe ja sonst nix zu tun …
Traurig, wütend, müde.