Introverts III

Die Pandemie hat uns alle verändert. In welcher Form weiß ich aber sicher nur von mir: Ich bin mir der Resource Zeit sehr viel bewußter geworden. Hilfsbereit, zugewandt, empathisch, mit leichtem Helfersyndrom – daran hat sich nicht wirklich etwas verändert.
Doch bin ich radikaler geworden.


Wenn nach langem geduldigem Abwarten nur noch der Schluß zu ziehen ist, das jemand nur noch zieht – Energien, Zeit, Kenntnisse, Geduld – aber seinerseits nichts mehr schickt, kann ich mich mit einer Plötzlichkeit abkehren, die ihresgleichen sucht und nicht umkehrbar ist.

Seit ich denken kann, hatte ich ein Schild um den Hals, auf dem »Projektionsfläche« stand, und bin mitunter jahrelang Sturm gelaufen gegen die Bilder anderer von mir. Im Bemühen zu genügen, zu gefallen, Anerkennung zu erfahren, auch das. Das ist nun vorbei.
Wer und was ich bin, weiß ich gut, Schwächen und Strickmusterfehler inklusive, und lasse mir von niemandem mehr erklären wie ich sein ’sollte‘ – zu des Sprechers Vorteil, Schaden an mir billigend in Kauf nehmend. Emotionale Kredite gebe ich keine mehr.

Lieber wenige Bindungen zu Menschen, die Geben und Nehmen, Geduld und Individualität wie auch ‚ein jegliches hat seine Zeit‘ noch verstehen, als mit Krampf Beziehungen zu pflegen, denen die gegenseitige Fürsorge verloren gegangen ist, und seien sie fünfunddreißig Jahre alt.
841 Tage Pandemie haben meinen Blick geschärft. Und die Dankbarkeit laut werden lassen, die ich trage für die Freunde, die wirklich Freunde (geblieben) sind. Und denen ich Freund sein darf.