Eigentlich wollte ich nähen (es warten vier Kleidungsstücke auf meine Änderungsarbeiten), aber dann bin ich auf dem Weg zum Rewe – seit es in meiner Nähe keinen passenden Geldautomaten mehr gibt, ist ein 10-Euro-Einkauf mein Bankomat, und einen Spaziergang hatte ich ohnehin noch nötig. Tabak oder Eindrehfilter kaufen ist schwierig ohne Bargeld in meinem Viertel.
»Was leuchtet da drüben?« frage ich mich, und trete neugierig an den Gitterkäfig, der die Abfalltonnen des Lebensmittelmarktes beherbergt. Das Licht erweist sich als die Handyleuchte von John, der hier nach rettbaren Lebensmitteln fahndet. Wir kommen gleich ins Gespräch, ungefragt gibt er mir Tips (‚Be decent and silent, don’t leave any mess, and if you can come on Mondays.‘) Er erzählt mir, daß der Markt von ihm weiß, daß es so etwas wie ein gentlemen’s agreement gibt: So lange er kein Chaos hinterläßt und sich unauffällig verhält, wird man ihm nicht in den Arm fallen. Ich ziehe glücklich mit Eiern, Salat, Germknödeln und Limonen davon. An meinem Einkauf komme ich trotzdem nicht vorbei – siehe oben – habe aber eine nette Bekanntschaft und eine völlig neue Erfahrung gemacht. Werde wahrscheinlich bei Gelegenheit wieder dort ‚containern‘ gehen, einfach, weil es mir in der Seele weh tut, wenn noch brauchbare Lebensmittel in der Müllverbrennung landen.
Unzählige Male bin ich an diesem Gitterkäfig vorbei gegangen, schloss aus der Vergitterung und dem Türschloß, das dieser wohl abgeschlossen sei, und habe diese Annahme nie überprüft. Daraus folgt eine neue alte Lehre für meinen kleinen runden Kopf: »If you assume, you might make an ass of you.«
Ich wünschte, mein Land wäre in diesem Punkt französischer. In Frankreich ist das Wegwerfen von Lebensmitteln kurz vor dem Ablaufdatum verboten. Die Märkte sind verpflichtet diese Überschüsse an die Tafeln weiterzugeben.