Aus gegebenem Anlass nehme ich eine alte Serie wieder auf: Introverts. In diesem nun beinahe vollständigen Pandemiejahr sind einige Erkenntnisse hinzugekommen, alte haben sich bestätigt. Heute verfestigte sich eine, die ich schon lange erlebe, nun aber qua Häufung als Axiom setzen kann: Kommen in einem Tag viele ungute Dinge zusammen, von Misserfolg über Missgeschick bis Kränkung – Mittellagenkram, keine großen Katastrophen – ist das Beste, was mir passieren kann, eine Nacht und ein Tag in Folge ohne andere Menschen. Keine Telefonate, keine Begegnungen. Nur ich mit mir. Musik, Ruhe, Katzen. Vielleicht Arbeit, vielleicht Näh- oder Kochwerkstatt, aber auf jeden Fall allein!
Kalibrierungszeit. Nachdenken, sammeln, sortieren, vor allem aber: wieder zu sich selbst kommen. (Meine Leser können es sich denken: heute war so ein Tag.)
Die letzten zwölf Monate lehrten mich aber auch Dinge über die Risiken eines introvertieren Charakters.
Ich kann (ich sagte es schon) sehr gut allein sein. Im Lockdown geht das zeitweise zu gut: Jeder notwendige Einkauf ein Beritt, Begegnungen mit nahe stehenden Menschen für mich oft zu lang. Treffen, ja, gerne, aber alles über zwei Stunden ist mir eigentlich zuviel. So mag ich mich glücklich schätzen, daß nicht alle Menschen in meiner Nähe die Sensibilität besitzen diese Schwingung wahrzunehmen (was mir ungeheuer auf die Nerven geht!), denn dieser Rückzug ist nicht gut, auch für mich nicht. Auf lange Sicht würde er mich anderen entfremden – wer die Reibung scheut, die andere immer mitliefern, macht sich zum Eremiten. Diesen Weg will ich nicht einschlagen. Und ‚meine‘ Menschen brauchen/wollen mich ja auch!
Ein weiteres Risiko: pragmatische Introverts wie ich einer bin, neigen dazu sich am Gegebenen und Möglichen zu orientieren. Das heißt aber auch: Die eigenen Wünsche, Träume, Sehnsüchte im Hinblick auf die weitere Zukunft werden radikal ausgeblendet. Damit wird das Leben von Tag zu Tag zwar einfacher, doch läuft man Gefahr sich zu verlieren. Wer bin ich noch ohne Wünsche, Träume, Pläne, Perspektiven? So kann ich auch hier froh sein über etwas, das an sich eigentlich nicht schön ist: Meine Albträume stellen aktuell jeden Horrorfilm in den Schatten, und sind kaum chiffriert. Zwar ist es nicht lustig mit Herzjagen aus dem Schlaf aufzuschrecken, doch sagen mir die Biester ganz genau wohin ich unbedingt weiter schauen sollte.
Last but not least: Einigeln und ein Mangel an Impulsen rauben den Impetus (Tenor: Wozu?), und sind sicher der Königsweg in eine Depression, die möglicherweise nicht einmal als solche erkannt wird.
Ergo: Das gefühlte Zuviel nicht nur zulassen, sondern aktiv aufsuchen. Der innere Kompass wird einem schon sagen, wo man aufhören sollte.