Verzweiflung

Ps: Bitte verschonen Sie mich mit „Tipps“ und Ideen, was ich machen könnte. Ich weiß das alles. Ich will nur nicht. Ich will mich nicht um das Leben meiner Mutter kümmern müssen. Das ist die beschämende Wahrheit.

So schreibt das Wieseltier. Mir kommen die Tränen, denn mir geht es genau so – perspektivisch gesehen. Genauer: Ich will nicht das Leben meiner Mutter führen, leiten, Supervision machen, weil sie selbst es schlicht nicht tut. Ich will nicht jede Woche 3x mit der Krankenkasse telefonieren und jede zweite Woche mit der Diakonie, mit Telefonieprovidern und Stromversorgern, mit Hausverwaltungen und Versicherern. Das genau mache ich jetzt seit einem Jahr, und mir geht ernsthaft die Puste aus.
Ich will auch nicht in einer Akutsituation sage und schreibe jeden Tag – bis auf Sonntag – mehrfach mit Krankenhäusern, Einrichtungen, Nachbarn, Bekannten, Gesundheitsämtern, Ärzten, Familie und natürlich mit Ma selbst reden. Mein Leben geht mir dabei komplett aus den Fugen. Seit Wochen bin ich kaum mehr zum Arbeiten gekommen – es ging schlicht nicht. Ich hatte mich gerade versammelt, dann klingelte wieder das Telefon, ich mußte in der Folge irgendetwas organisieren, was dann zwei Stunden später durch meine Mutter wieder umgeworfen wurde und mich in die nächste Runde schickte. Konzentration? Ha!

Die begrenzte Zeit, die ich dann eigentlich noch für meinen eigenen Kram habe, läuft ins Leere, weil ich so ausgepumpt und angespannt bin, daß ich weder schlafen noch mich konzentrieren kann. Und natürlich hat mein verdammter Reizdarm zu der Stresslage eine schmerzhafte und deutliche Meinung (Ich war ihn los seit Jahren. Jetzt nicht mehr.)

Ich will nicht dauernd Gespräche auf Zehenspitzen führen müssen, weil jede deutliche Aussage als ‘Streit’ interpretiert wird. Ich will mir nicht von Menschen, die mich nix angehen, sondern Freunde meiner Mutter sind, Vorhaltungen machen lassen, weil ich nicht längst in ihre Stadt gezogen bin/sie nicht alle 2 Wochen für eine Woche besucht habe/in Coronalage nicht anreisen kann (-> Regularien / Gesundheitsämter mehrerer Bundesländer. Wieder zwei Stunden beim Teufel.) Ich will weder zur Verantwortung gezogen werden noch die Folgen ausbaden, die drei Jahrzehnte soziale Schlamperei und splendid isolation auf der Eheinsel herbeigeführt haben.
Vor allem anderen will ich aber nicht jede Woche, die Bastet werden läßt, mindestens zwei Stunden auf einen Menschen einreden, Überzeugungsarbeit leisten, der immer wieder nur das Spiel spielt ‘Wasch’ mir den Pelz, aber mach’ mich nicht nass.’ Ich. Will. Das. Nicht.
Doch sind wir damit lange nicht fertig – ich kann es auch nicht. Keinem Menschen kann ich die fehlenden Sozialkontakte (siehe oben), den fehlenden geliebten Mann ersetzen. Da ist es dann auch scheißegal, ob ich geographisch zehn oder tausend Kilometer weit weg bin.
Ja, es gab auch Wochen, die ‘ruhiger’ waren, doch die Grundspannung blieb und bleibt – jeder nächste Anruf kann mich Knall auf Fall in einer Lage werfen, der ich aus dem Stand dann Herrin werden muß (Ist ja nun auch passiert). Echte innere Ruhe kommt dabei nicht auf. In meinem Leben bleiben Sachen liegen, die nicht liegen bleiben dürften. Unter anderem durch Corona ist meine Lage prekär genug, mein Laden ist klein und empfindlich. Wenn ich meine Stammklientel nicht pflegen kann, wird’s ernsthaft gefährlich.
Dazu der ‘Kleinkram’ – meine Grundspannung überträgt sich auf die Tiere, ich habe es wieder mit Kreischen, Fauchen, Schlagen zu tun. Natürlich ist auch das Markierungsproblem wieder aufgetreten.

Befinde ich mich hier in einer Situation analog zum Umgang mit Drogenahängigen? Muß ich sie – äußerlich – fallen lassen, damit sie kapiert, daß sie handeln, nachdenken und planen muß?
Famous last words »Lass’ dir dein Leben nicht entreißen.« Genau das passiert hier gerade. Du hättest mir, verdammt, auch gleich sagen können wie das gehen soll, ohne sie fallen zu lassen. Und wo wir gerade dabei sind – wie konntest du es wagen ihr alle wichtigen Prozesse zu entziehen, dich selbst um alle Dinge des täglichen Lebens zu kümmern – bis auf Hausarbeit und Kochen – und damit für die Unselbstständigkeit zu sorgen, die jetzt ihr und mir und anderen auf die Füße fällt? Ihre Bankgeschäfte zu führen ist ein Klacks. Das kann ich machen bis ans Ende aller Zeiten. Alles andere bringt mich an den Rand meiner Fähig- und Möglichkeiten.

Und nun?
Für’s Erste werde ich nun – 3:40h – alle Telefone abstellen. Was immer geschieht, muß nun bis Montag ohne mich geschehen. Ich brauche Luft. Dringend. In Lebensgefahr wird dadurch sicher niemand geraten.


Bildquelle: Pixabay

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