Nervenkostüme, die um die Knie flattern

Freitagsbeschluss: Die Idiotien der anderen gehen mich schlichtweg nichts an und haben fürderhin an mir abzugleiten.

Die Geschichte dahinter: die unübersichtlichen Lockerungsübungen verschiedener Bundesländer führen bei meiner Mutter zu der Frage, wer mich denn hindere zu ihr zu kommen. Ich bin kreischend vor Frustration um die Lampe geflogen. Sie ist so deutlich mit Grunderkrankungen geschlagen, sie fängt sich jeden Scheiß ein. Der medizinische Befund ist auch keiner, bei dem man in Sachen Abwehrstatus jubelnd in die Hände klatscht. Doch wenn es nach ihr geht soll ich:
a) mit dem Zug anreisen (habe kein Auto).
b) mindestens eine Woche bei ihr sein und tausend Dinge aushäusig für sie erledigen.
c) für diese Zeit in ihr Gästezimmer einziehen.

Ja, nee, is‘ klar. Weil das ja auch gar nichts anderes ist als die Studenten, die für sie einkaufen und die mit Maske und Mindestabstand immer nur 10-Minuten-Kontakte darstellen. Ihre Pflegekraft ist ein ständiges Risiko, geht damit aber bewußt um und ist einfach nicht zu vermeiden. Ich schon.
Und das Ganze für Banalitäten wie – ihrer Meinung nach – eine nicht richtig geputzte Wohnung, abzuhängende Vorhänge, die falsche Schokolade und ähnlichen Quatsch.
Diskussionen darüber wer hier paranoid oder leichtsinnig ist, stur oder ignorant ist, werde ich keinesfalls führen. Verdammte Axt, soll sie doch denken, was sie will.

Auch: Ihre Mobilität könnte längst wieder in höherem Maße vorhanden sein, doch weigert sie sich seit sechs Monaten standhaft die dringend empfohlene und benötigte Rehabilitationsmaßnahme anzutreten. Sie zieht es vor sich nicht zu bewegen und darüber zu klagen, daß sie die zweihundert Meter bis zum Briefkasten nicht schafft, und der Rolator kommt nicht in Frage. Sie kommt damit nicht klar, sagt sie. Logisch. Das muß man lernen und dafür müßte man üben.
Und reden wir nicht über ein beklopptes Finanzgebaren – es steht ein höheres Kontingent an Unterstützungsleistungen zur Verfügung, doch fordert sie es nicht an. Auf meine Nachfrage erzählt sie mir etwas von ‚Ich will doch nicht wieder hohe Rechnungen auslösen.‘ Ich habe es hier hundert Mal erklärt, und meine Ma ist (noch) NICHT dement. Obendrein gibt es Rücklagen – ich könnte jederzeit zuschießen, wenn es notwendig wird. (Ja, ich verwalte den gesamten Finanzbereich, weil sie den Computer mit dem Tuches nicht ansieht.)
Ich werde hier echt noch wahnsinnig.
Habe jetzt die Pflegebetreuerin eingeschaltet (die schon länger im Boot ist). Sie wird nächste Woche meine unfassbar unwillige Mutter nochmals aufschlauen und ins Gebet nehmen. Hoffentlich hilft das.

Bei aller Liebe – buchstäblich – und bei allem Verständnis, manchmal möchte ich sie wirklich übers Knie legen. Wasch mir den Pelz, aber mach‘ mich ja nicht nass ….

You can lead a horse to water, but you can’t make it drink.


Bildquelle: Pixabay