In einen Brief an ihr jüngeres Ich möchte Liisa schreiben:
»Du bist etwas wert und musst das niemandem beweisen. Wer von Dir erwartet, dass Du Deinen Wert beweist, meint es nicht gut mit Dir, schon gar nicht, wenn als einziger Beweis gilt, dass Du tust, was die jeweilige Person will und erwartet.«
Wert, beweisen und Erwartungen – ein heftiger Strauß. Ich aber bleibe vor allem an diesem ‚es gut mit jemandem meinen‘ gedanklich deutlich hängen (jedenfalls für dieses Mal).
‚Gut gemeint ist das Gegenteil von gut gemacht‘ klemmt sich in meinen Gedanken ungebeten an Liisas Postulat.
Es gut mit jemandem zu meinen, ist ein schöner und richtiger Gedanke. Dazu gehört auch: Perspektiven wechseln. Was aus meiner Sicht für jemanden gut sein könnte, ist es von seiner Warte aus gesehen vielleicht gar nicht. So genau hinzusehen ist niemals ganz einfach. Und dann gibt es auch noch jene, die dieses Erkennen gar nicht aushalten.
…
Mein alter Freund wäscht mir den Kopf. Er ist laut und beschränkt sich nicht auf den höflichen Teil seines Wortschatzes. Ich mag auch gar nicht hören, was er mir sagt – doch weiß ich: die treibende Kraft hinter seinem Wortschwall ist eben dieses ‚es gut mit mir meinen‘. Dieses Wissen habe ich unter der Haut, bei jedem meiner Freunde. So ist Kritik eben dies – Kritik – und wird nicht als persönlicher Angriff wahrgenommen. Es ist der feine wichtige Unterschied zwischen »Was du da machst, ist sch….« und »Du bist sch….«, der erkannt wird und greift.
Genau das ist aber auch die Krux. Um diesen Unterschied zu erkennen, muß ich vor allem anderen glauben, daß der Freund es gut mit mir meint. (Worauf sich dieser Glaube gründet, ist dabei völlig irrelevant.)
Da sind wir dann. Genau vor der Wand. Denn damit ist klar: Jedes Es-gut-mit-mir-meinen kann an meiner Wahrnehmung der Wirklichkeit zerschellen, mich völlig blind machen für die Zu-neigung anderer. Funktioniert übrigens auch andersherum: Solange ich glaube, daß mir jemand unter allen Umständen wohl will, werde ich blind sein für jeden Schaden, der angerichtet werden könnte oder wird. Werde ihn als verzeihlichen Ausrutscher betrachten.
Wohin das nun führt? Im besten Fall auf die genaue Betrachtung und kritische Auseinandersetzung mit der eigenen Wahrnehmung.
Auf jeden Fall zu einem kleinen deutlichen Punktstrahler auf den Wahnsinn, der Liebe heißt.