Introverts I

Schon als ich noch ein Kind war, war es leicht mich zu verletzen. Über Empathie wußte ich noch nichts, doch war und bin ich mit ihr geschlagen, und wünschte mir damals schon ein sogenanntes ‚dickes Fell‘. Inzwischen weiß ich: daran ist nichts zu drehen. Klassisch introvertiert ist mir das Fühlen von hundert Emotionen, die nicht meine sind, in die Wolle gestrickt. Was ja an sich okay wäre, wenn es denn – quasi automatisch – das intellektuelle Verständnis für diese fremden Gefühle mit sich brächte. Dem ist aber nicht so. Es kommt vor, geht aber nicht selbstverständlich mit der Angelegenheit einher. Verwirrend. Für mich. Sehr. Immer wieder.

Daher rührt es – unter anderem – daß ich genau wie jeder andere ungern einsam bin (bzw. wäre), aber gern und oft allein. Es braucht Zeiten, in denen ich mich in Ruhe sortieren kann. Ich sage immer: Ich brauche viel freies Wasser.

Es gibt nicht viele, die das verstehen.

Ein weiterer Effekt: Ich spüre, wann man mich belügt. Mit einer verflixt hohen Trefferquote. Ma nannte es: »Deinen eingebauten Detektor für Scheiß.«
Ob ich erkennen lasse, gar diskutiere, was ich sehe, steht auf einem anderen Blatt … Wenn du weißt, daß die Wahrheit nicht in Erfahrung zu bringen ist, mit welcher Art von Kommunikation auch immer, sparst du deine Energien und entscheidest schlicht, ob du unter den gegebenen Bedingungen im Spiel bleiben oder aussteigen willst.
Ändert aber nichts. Andere spüren den Detektor offenbar. Und so viele wollen nicht erkannt werden (no pun intended), fühlen sich aus dem Stand unwohl damit, daß jemand sie zu lesen scheint.

Jemand kommentierte meine vorsichtig formulierten Beobachtungen immer wieder mit ‚Treffer. Versenkt.‘

Verdammt. Ich wollte nichts ‚versenken‘!

Und überhaupt sende ich meine Wahrnehmungen nur noch auf Nachfrage. Schon sehr lange.
Außerdem bin ich kein perfektes Orakel – auch introverts irren sich. Sie schauen nur anders hin.

Einfach bleibt anders.