Jahrzehnte ist es her, da waren wir einander Anker und Rettung in einem extrem reaktionären Umfeld. Zwei wunderbare Sommer, Zauber und Geheimnis. Leise Gespräche in ruhigen Altbauwohnungen, Musik und Seelennähe, Zärtlichkeit und erotische Landschaften. Vor allem anderen fanden wir ineinander ein Zuhause, das sonst nirgendwo aufzutreiben war. Niemand hat je von uns gewußt außer ihm und mir. Insellage.
Unterschiedliche Lebensplanung und die normative Kraft des Faktischen trieben unsere Boote auseinander, und wir waren beide viel zu jung und unerfahren zu erkennen, was wir da in Händen hatten, schon gar nicht im Stande dem Außendruck etwas entgegen zu setzen. Er begann seinen Berufsweg in der furchtbaren Stadt im Südlichen, ich startete ein Studium im Norden. Ein stiller Kurs, keine Seeschlachten zu schlagen, er blieb in meinem Herzen wie ich in seinem.
So hätte es bleiben dürfen. Man wohnt sich ein in Erinnerungen zwischen Tag und Traum. Kleinodien, irgendwo tief verwahrt und beschützt.
Jahre später fanden wir uns wieder. Die alten Träume so lebendig wie nie – auf beiden Seiten. Geist und Seele gereift, wußten wir nun sehr wohl, was wir da in Händen hatten. Schreiben und lesen, die alte Seelenverwandtschaft. Rund und schön. Eine innere Verbindung von eigener Kraft.
Nie hätte ich vermutet, daß es ausgerechnet die erotische Komponente – wiewohl jenseits der Vollendung – sein würde, die dieses Tau zerreißen würde. Doch war es so. Das Begehren, das ihn hinterrücks anfiel, kollidierte auf der ganzen Linie mit seinem Leben und mit einer Spießigkeit, die ich diesem Mann nie zugetraut hätte. Es war sehr schön auf diese Weise begehrt zu werden – zu einer Zeit, in der ich mit Empfindung so unfreiwillig wie unwillig schon beinahe abgeschlossen hatte – doch war dieses Schwert zweischneidig. Ich brauchte es nicht, er wurde es nicht los.
So habe ich beides verloren: Die Imago aus alten Zeiten ist beschädigt, eine Realität im Jetzt verunmöglicht von Feigheit, mangelnder Beherrschung und Inkonsequenz. Kleinkarierter Schluß einer Geschichte, die etwas ganz anderes hätte sein können.
Auf eine Revision warte ich bis heute.